Psychologisches Kapital: Kraftquelle oder Kompensation?

Innere Stärken mit Wirkung: Was psychologisches Kapital leisten kann

In HR-Kreisen ist das Konzept des psychologischen Kapitals inzwischen gut etabliert. Es umfasst innere Ressourcen wie Selbstwirksamkeit, Hoffnung und Optimismus. Studien zeigen, dass diese Fähigkeiten einen messbaren Einfluss auf Arbeitszufriedenheit, Engagement, Leistungsfähigkeit und emotionale Stabilität haben.

Eine Meta-Analyse von Avey et al. (2011) fasst die Ergebnisse aus 51 Studien mit mehr als 12’000 Teilnehmenden zusammen. Sie zeigt deutlich, dass psychologisches Kapital in positivem Zusammenhang mit Leistung, Commitment und Wohlbefinden steht und gleichzeitig Stress sowie Kündigungsabsichten reduziert.

Aktuelle Forschungsergebnisse zu Dankbarkeit, Resilienz und Innovationskraft

Auch Hameed und Khwaja (2022) betonen in ihrer Studie, dass Dankbarkeit im Unternehmenskontext ein wichtiges Bindeglied sein kann. Sie wirkt sich günstig auf Motivation, Loyalität und psychisches Wohlbefinden aus. Und laut einer aktuellen Analyse des McKinsey Health Institute (Green, 2024) ist Resilienz in Organisationen ein zentraler Faktor für Innovationsfähigkeit und Anpassungskompetenz.

Wo Förderung aufhört und Verantwortung beginnt

Was jedoch selten offen angesprochen wird: Die Förderung dieser inneren Ressourcen darf nicht zum Ersatz für strukturelle Verantwortung werden. Es reicht nicht, Mitarbeitende in Resilienz zu schulen, wenn gleichzeitig ein belastendes Arbeitsumfeld, toxische Führung oder fehlende Erholungsphasen bestehen bleiben. In solchen Fällen wird das Thema schnell einer Alibimassnahme, die die eigentlichen Missstände verschleiert.

Psychologische Stärke braucht gesunde Rahmenbedingungen

Psychologisches Kapital kann nur dort langfristig wirken, wo auch die Rahmenbedingungen stimmen. Führungskräfte sollten sich daher zuerst selbst fragen: Haben wir in unserem Unternehmen ein Klima, in dem Menschen gesund, sinnvoll und engagiert arbeiten können? Oder versuchen wir, mit Resilienzförderung etwas zu überdecken, das wir strukturell nicht lösen wollen?

Wer Verantwortung für Menschen übernimmt, sollte psychologische Ressourcen nicht als Reparaturinstrument verstehen, sondern als Ergänzung zu klaren, fairen und nachhaltigen Strukturen. Erst dann entfaltet das Konzept seinen vollen Wert.

Quellen:

Avey, J. B., Reichard, R. J., Luthans, F., & Mhatre, K. H. (2011). Meta-analysis of the impact of positive psychological capital on employee attitudes, behaviors, and performance. Human Resource Development Quarterly, 22(2), 127–152. https://doi.org/10.1002/hrdq.20070

Hameed, I., & Khwaja, M. G. (2022). Employee gratitude: A win-win for the employer and the employee. South Asian Journal of Business Ethics, 14(2), 132–150. https://doi.org/10.1177/23220937221101261

Green, D. (2024, January 24). Top HR articles of 2024: Enhancing the employee experience, transforming leadership, and putting skills at the center. LinkedIn. https://www.linkedin.com/pulse/top-hr-articles-2024-enhancing-employee-experience-david-green–f572e/

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